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Mit urbaner Mischung, ÖPNV und Weltkulturerbe in die Zukunft – die Pläne der Klingenstadt Solingen

23. März 2019

Demografischer Wandel, sozialer Wohnungsbau, Mobilität, neue Ideen für die City der Zukunft – diese Themen stehen bei fast allen Städten auf der Agenda. Welche Pläne hat unsere Nachbarstadt Solingen? Die BDA-Architekten Christof Gemeiner aus Hilden, Christiane Gerold-Tenbuhs aus Solingen und Jochen Siebel aus Haan haben den Stadtdirektor Hartmut Hoferichter besucht und ihn dazu befragt.

Gemeiner: Der Zuzug in die Städte ist nach wie vor ungebrochen. 2007 waren es 50%, im Jahr 2050 werden in Deutschland ca. 85% der Bevölkerung in der Stadt wohnen. Wie stellt sich die Stadt Solingen diesen Herausforderungen?

Hoferichter: Solingen wächst auch. 2016/2017 gab es einen positiven Wanderungssaldo von 120-150 Menschen, in 2018 war es schon 650. Nun kann man natürlich sagen, bei 163.000 Einwohnern ist das noch wenig, aber in der Entwicklung ist das schon eine Trendumkehr. Es sind Zuwanderer aus der EU wie Spanien, Italien, Portugal und Griechenland oder Flüchtlinge, die  bleiben. Und es sind zunehmend Menschen, gerade Familien, die aus dem teuren Düsseldorf kommen, um ein Eigenheim oder eine Wohnung im preiswerteren Solingen zu kaufen oder zu mieten.

Monika Medam
Monika Medam
Hartmut Hoferichter, seit 2005 Stadtdirektor von Solingen, vorher Beigeordneter der Stadt Solingen und Leiter des Planungsamts der Stadt Köln

Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir rechtzeitig die Kita- und Schulentwicklungsplanung synchronisiert haben. Für junge Familien ist das ein echtes Argument, das man – selbst wenn man nicht die Wunschkita bekommt – keine drei Jahre auf den Kitaplatz warten muss. Bei den Schulen ist das ähnlich. Eine reine Schlafstadt wird Solingen damit in keiner Weise. Denn in der Regel ist es so, dass die Berufstätigen zwar ihren Job in Düsseldorf behalten und pendeln. Aber die Kinder gehen hier in die Kita, in die Grundschule, auf die weiterführende Schulen, in den Sportverein, in die Musikschule und so weiter. Und die Eltern erledigen nach Feierabend hier ihre Einkäufe und gehen ihren Freizeitaktivitäten nach und tragen so zum aktiven Leben in unserer Stadt bei.

Monika Medam
Monika Medam
BDA Architekt Christof Gemeiner, Hilden

Gemeiner: Wenn wir noch mal die Prognose für 2050 betrachten, ist auch noch etwas anderes interessant. Dann wird nämlich fast jeder zweite älter als 65 Jahre sein. Davon wird die Hälfte in Single-Haushalten leben. Das Wohnungsangebot muss sich entsprechend ändern: kleine und preiswerte Wohnungen, öffentlich geförderter Wohnungsbau. Welche Strategien hat die Stadt Solingen geplant?

Hoferichter: Wir haben gerade den Entwurf „Handlungskonzept Wohnen“* in die Beratung miteingebracht. Die strategische Variante unterstellt, dass wir auch weiter regionale Zuwanderung haben. Nach einer aktuellen Prognose geht man bis ins Jahr 2040 von einem Wohnungsbedarf von 5.500 Wohnungen aus. Das klingt sehr viel. Aber ca. 220  Wohnungen genehmigen wir auch jetzt schon pro Jahr.  Es wird also einige  Jahre geben, in denen wir rund 100 Wohnungen mehr brauchen als jetzt. Wir haben allerdings auch ca. 60 ha Flächen, wo bereits  Baurecht besteht. Der größte Teil der jetzt schon bebaubaren Flächen ist allerdings im privaten Eigentum. Unsere aktuelle Strategie ist daher: Wir sprechen Eigentümer an, wenn sie baureife Grundstücke haben. Mit deren Erlaubnis stellen wir dann die Flächen ins Internet und vermitteln zwischen Eigentümer und Investor. Wir wollen nicht Makler sein, aber auf die Weise die Kommunikation verbessern. Beim Thema „Geförderter Wohnungsbau“ gibt es unterschiedliche Tendenzen. 2016 gab es viele Interessenten, die darin investieren wollten, da haben wir 160 Einheiten gefördert. Viele Wohnungen fallen in den nächsten Jahren aus der Bindung. Der Bedarf an diesen Wohnungen wird größer, als er aktuell aussieht. Durch den Tilgungsnachlass von 25% wird das Thema aber wieder interessanter, weil es sich für Investoren rechnet.

Siebel: Haan hat seit Mitte 2018 einen Baulandbeschluss zum sozial geförderten Wohnraum. Früher hatten wir die Situation, dass Investoren bei der Auflage von 30% geförderten Wohnraum aus wirtschaftlichen Gründen ausgestiegen sind. Heute ist das anders. Aufgrund der Förderung, insbesondere durch Tilgungsnachlässe ist die Quote von 30% auch wirtschaftlich darstellbar, zumal es auch einen Mix innerhalb von Quartieren und Gebäuden zulässt.

Gerold-Tenbuhs: Es gibt ja auch baureife Grundstücke, weil es Bebauungspläne gibt. Es ist jedoch häufig so, dass diese B-Pläne nicht mehr den Erfordernissen der Zeit entsprechen. Da tut sich auch was, und da liegen sicher noch etliche Quadratmeter brach.

Monika Medam
Monika Medam
BDA Architekt Jochen Siebel, Haan

Siebel: Das Problem bei diesen Bereichen, den sogenannten „alten Lappen“ ist, dass man meistens viele Eigentümer mit unterschiedlichsten Interessenlagen hat. Diese Entwicklungen sind schwieriger zu planen, häufig auch mit komplizierten Umlegungen verbunden, als wenn man auf alten Gewerbebrachen oder noch nicht bebauten Flächen mit wenigen Eigentümern entwickeln möchte.

Hoferichter: Solche Fälle lassen sich auch erfolgreich umsetzen, wenn man früh genug kommuniziert. Aber wenn sich nur ein Eigentümer nicht einbringt oder ablehnend verhält, kann er so ein Verfahren bis zu drei Jahre lahmlegen, und dann wird es schon schwierig.

Gemeiner: In vielen Städten in NRW gibt es Gestaltungsbeiräte. Die Vorteile sind fundierte Stellungnahmen zu Bauvorhaben. Die Erfahrung zeigt, dass man diesen Empfehlungen folgt, und man erzielt eine höhere Akzeptanz bei schwierigen Bauprojekten. In Solingen gab es schon zwei Anläufe in diese Richtung. Wie ist da der aktuelle Stand der Dinge?

Hoferichter: In der Zeit der Vorbereitung und Durchführung der Regionale hatten wir einen Beirat, der aber kein Gestaltungsbeirat war. Die Rückmeldung aus der Politik war damals, dieser Beirat und noch ein weiterer Gestaltungsbeirat, das müsse nicht sein. Damals war es ein geflügeltes Wort, dass „Beiräte nur den Gang der Dinge hindern“. Selbst Denkmalpfleger wurden wie die Beiräte von einigen politischen Gruppierungen als „Investitionsverhinderer“ bekrittelt. Damals gab es für die Idee, einen Gestaltungsbeirat zu etablieren keine politische Mehrheit.

Gerold-Tenbuhs: Nach Jahren fand dennoch ein Umdenken statt. Wie kam es dazu?

Hoferichter: Das hatte mit verschiedenen Dingen zu tun – ein neuer Oberbürgermeister unterstützte die Idee, Gremien wie der Stadtplanungsausschuss waren anders zusammengesetzt, die Bereitschaft in den Fraktionen auf meinen erneuten Vorschlag einzugehen, war grundsätzlich vorhanden. Nicht zuletzt hat die Informationsveranstaltung des BDA Bergisch-Land und Ihre Impulse dazu geführt, dass der Rat der Stadt Solingen im Dezember 2018 die Etablierung eines Gestaltungsbeirats beschlossen hat. Die Entwicklungen in den Städten der Umgebung, in denen Gestaltungsbeiräte in jüngster Vergangenheit etabliert wurden, hatten auch positiven Einfluss. Ärgerlich ist nur, dass der Politik dann der Mut gefehlt hat, die Mittel dafür bereitzustellen. Für 2019 könnte ich das Gremium, das ja frühestens nach der Sommerpause zusammenkommt, aus einer anderen Haushaltsstelle finanzieren, aber die langfristige Finanzierung ist nicht gesichert. Das Zeichen ist aber gesetzt, der politische Wille ist da, jetzt müssen wir nur schauen, wie wir das Ganze über 2019 hinaus finanziell absichern.

Gemeiner: Solingen hat das Entwicklungskonzept „City 2030“ auf den Weg gebracht. Was hat es damit auf sich?

Hoferichter: Unter dem Titel „City 2030“ wird ein integriertes Stadtteilentwicklungskonzept erarbeitet mit mehreren Schwerpunkten. Das eine Thema ist die Entwicklung und räumliche Konzentration des Einzelhandels, das andere ist die Achse City- Evertz-Omega Gelände und Südpark. Diese Entwicklung muss man großräumig betrachten. Klare Erkenntnis ist aber, dass der Teil vom Neumarkt zu den Clemens Galerien und zum Entenpfuhl, von dem wir vor 15 Jahren noch glaubten, dass wir den für den Einzelhandel aufrechterhalten könnten, nicht mehr funktioniert. Die untere Hauptstraße wird kein Einzelhandelsstandort mehr bleiben. Wir schauen jetzt, wie sich die Clemens Galerien entwickeln, der Besatz ist nicht hochwertig, aber sie wird voll genutzt werden, der Umbau wird vorbereitet. Fronhof und Hofgarten haben die Chance, einigermaßen stabil zu bleiben.

Gemeiner: Der Einzelhandel wird eher noch weiter schrumpfen.

Monika Medam
Monika Medam
Diskussionsrunde im Planungsamt der Stadt Solingen

Hoferichter: Davon gehen wir aus. Mit den Eigentümern sind wir seit einen dreiviertel Jahr im Gespräch. Man überlegt sich Alternativen für das Erdgeschoss. In den Obergeschossen gibt es Ideen für das Thema Wohnen im innerstädtischen Bereich. Es gibt dort einiges an Potential, wo man auch Wohnraum entwickeln könnte. Aber nicht im jetzigen Zustand mit versiegelten Hinterhöfen ohne Grün. Es werden zur Zeit Entwürfe gemacht, um den Eigentümern das zu verbildlichen, was möglich ist und auch nicht zu teuer wäre. Unser Job ist es, realistische Vorschläge zu präsentieren und mit den Beteiligten zu diskutieren. Wenn der Rat das Gesamtkonzept dann beschlossen hat, ist die Erwartungshaltung, dass auch gehandelt wird. Wenn der Einzelhandel sich an einer anderen Stelle konzentriert, bekommt der Fronhof ein andere Bedeutung, so eine Art Scharnierfunktion, die er jetzt noch nicht hat. Die Lauf- und Wegebeziehungen werden im Umfang kleiner, und sie werden sich noch verändern.

Monika Medam
Monika Medam
BDA Architektin Christiane Gerold-Tenbuhs, Solingen

Gerold-Tenbuhs: Der Busbahnhof an dieser Stelle ist aber nach wie vor eine Barriere. Dadurch ist der Fronhof, der eigentlich ein eingefasster Platz ist, ein bisschen ins Abseits geraten.

Hoferichter: Damals gab es durchaus Überlegungen, den Busbahnhof gerade nicht in diese Achse zu legen. Der hat eine gewisse Durchlässigkeit, kann aber an der einen oder anderen Stelle durchaus ein Hemmnis sein. Das merkt man an den Fußgängerbeziehungen. Eine Besonderheit an dieser Stelle ist der rote Zebrastreifen. Die örtliche Polizei hält eine Änderung nach den Erfahrungen nicht für erforderlich. Kein Zebrastreifen wäre ein falsches Signal, ein normaler Zebrastreifen stört wiederum den normalen Verkehrsfluss.

Siebel: In Duisburg vor der Oper funktioniert das hervorragend. Jeder fährt langsam, überall laufen Fußgänger durch, das ist genial gelöst. Das Pflaster geht durch, das funktioniert ohne Zebrastreifen. In Monheim oder zum Beispiel jüngst in Meckenheim fertiggestellt, beginnt man auch solche Konzepte umzusetzen. Da verträgt sich sowohl der fahrende als auch der ruhende Verkehr unter Integration von Fahrradfahrern und Fußgängern.

Hoferichter: Das überlegen wir hier auch, wir sind da im Gespräch mit dem Einzelhandel, ob man das mit einer durchgängigen Pflasterung nicht auch hinbekommt, damit eine gegenseitige Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmer erfolgt.

Gemeiner: Damit wären wir beim Thema Mobilität. Die Innenstadt von Solingen scheint noch stark auto-gerecht zu sein. Wenn die Zukunft E-Mobilität heißt, dann ist auch das E-Bike eine Option. Man könnte größere Flächen für E-Bikes ausweisen, was zu einer Attraktivierung führen kann. Ist das eine Perspektive für Solingen, langfristig den Autoverkehr zurückzudrängen?

Hoferichter: Das ist auch eine Frage der Wahrnehmung. Vor fünf Jahren führten schon kleine Überlegungen, die den Individualverkehr einschränken oder behindern könnten, zu massiven Protesten. Die Botschaft „Freie Fahrt für freie Bürger“ gibt es in Teilen der Bürgerschaft und Politik immer noch. Themen wie Luftschadstoffbekämpfung oder Lärmaktionsplan z.B. mit einer  zeitweiligen  Temporeduzierung auf 30 auf einer Hauptachse waren in der Politik nicht mehrheitsfähig. Die Erkenntnis, dass  es neben dem Individualverkehr noch ÖPNV, Fahrradfahrer und Fußgänger zu berücksichtigen gilt, wächst aber. Die Umbauplanung der Konrad-Adenauer-Straße hat dies gezeigt.

Gemeiner: Metropolen wie Kopenhagen, Madrid, Paris, Luxemburg machen das vor. Da werden teilweise Innenstädte komplett für den Durchgangsverkehr gesperrt.

Hoferichter: Das ist für uns in den nächsten Jahren sicher kein Thema. Noch vor einem Jahr fiel der Satz „Schon Tempo 50 gefährde den Wirtschaftsstandort Solingen“, weil ich der Maßnahme zugestimmt habe, auf einer Zufahrtsstraße nach Solingen das Tempo von 70kmh auf 50kmh zu verringern. Die Anwohner aber freut es. Positiv sind die aber Ergebnisse des Runden Tisches Fahrradverkehr. Es geht um den Fahrradwegebau und die sogenannte Velo-Route von Wuppertal, Solingen-Gräfrath Richtung Hilden, die die Korkenziehertrasse integriert. Da wollen wir z.B. mit dem Fahrbahnbelag deutlich machen, dass an bestimmten Querungen das Fahrrad den Vorrang hat. Die Politik möchte hierzu aber zunächst die Bürger vor Ort hören.

Gerold-Tenbuhs: Ich bin begeisterte Fahrradfahrerin. Die Trassen sind schon eine tolle Sache, insbesondere auch die Verknüpfungen der Trassen untereinander. In Solingen selbst gibt es Schwachstellen, es ist schwierig, mit dem Fahrrad in die Ortskerne reinzukommen.

Hoferichter: Ich wohne in Solingen-Ohligs. Wir haben eine Machbarkeitsstudie beauftragt, wie wir von Ohligs in die Stadtmitte kommen. Der Schwerpunkt dabei ist Solingen-Merscheid. Wenn das gewollt ist, kann man eine durchgehende Verbindung herstellen. An manchen Stellen muss man einen Meter Fahrradweg, Schutzstreifen oder eine Lücke schaffen, dann bekommt man das Netz hin.

Siebel: Aber der politische Druck wird höher. Auch die Städte und Gemeinden, die sich im Moment noch nicht damit beschäftigen, werden gezwungen sich dem Thema zu stellen und Lösungen aufzuzeigen. Das Thema ist in den Medien präsent, und die Erwartungshaltung der Bürger steigt.

Hoferichter: Und das ist meine Hoffnung. Im Moment wird in dem Zusammenhang jedoch darüber diskutiert, dass Parkplätze verloren gehen und dadurch Nachteile entstehen. Ich bin sicher, dass man künftig, wenn man Plätze für Car-Sharing in den Tiefgaragen hat und Ladesäulen für E-Bikes, nicht mehr für jede Wohnung einen Stellplatz haben muss. Vor allem, wenn es sich um so integrierte Lagen handelt, bei denen man in sieben Minuten Bus oder Bahn erreichen kann. Aber das braucht noch viel Überzeugungsarbeit.

Gemeiner: Von welchen Zahlen bei den Verkehrsteilnehmern gehen Sie denn aus?

Monika Medam
Monika Medam

Hoferichter: In der letzten Erhebung von 2013 hatten wir eine Individualverkehrsquote von fast 60 Prozent, bei uns ist der Öffentliche Nahverkehr mit 15 bis 20 Prozent schwächer vertreten als in anderen Städten. Auch der Fahrradverkehr ist mit 4-5 Prozent noch recht schwach ausgeprägt.

Siebel: Seit 2019 gibt es das Modell, E-Bikes Mitarbeitern steuerfrei zur Verfügung zu stellen. Wir haben 15 E-Bikes für unsere Mitarbeiter in der alten Pumpstation, die sind teilweise schneller vor Ort als mit dem Auto. Das fördert die Gesundheit, macht die Straße frei und schafft Parkraum.

Hoferichter: Bei der Stadt fördern wir auch nach dem Modell. Das andere Thema ist bei uns der ÖPNV. Ich setze da große Hoffnungen in das Batterie-Oberleitungsbus-Projekt. Wir hatten hier die Chance, mit der Bergischen Universität, Stadtwerken und den verschiedenen Energieanbietern ein Paket zu schnüren. Dabei geht es um zwei wesentliche Dinge. Auf der einen  Seite brauchen wir für die Busse, die schon mit Batterien der neuen Generation fahren, die ganze Oberleitungsstruktur bei Netzerweiterungen nicht mehr. 20 Kilometer können die Busse dann ohne Fahrdraht fahren. Dadurch können wir neue Gebiete für den Busverkehr erschließen. In Teilen kann die Oberleitung genutzt werden, um während der Fahrt die Batterien aufzuladen. Andererseits können wir Leitungen zurückbauen, ganz anders erschließen und die Netze flexibler ausbauen mit dem Ziel, wenigstens 25 % des Verkehrsaufkommens auf den ÖPNV zu verlagern. Das Projekt ist auch für andere europäische Städte interessant.

Gemeiner: Die Initiative für die Beteiligung am EUROPAN 15, dem europäischen Wettbewerb für junge Architekten kam aus Solingen. Das ist insofern interessant, als dass die Bergische Schiene mit den Städten Hilden, Ratingen, Solingen und Wülfrath neben einer kleinen Stadt in Bayern der einzige deutsche Beitrag sein wird.

Hoferichter: Das Ganze hat eine Vorgeschichte im Rahmen des bergischen Städtedreiecks. Vor 2,5 Jahren als das Land Nordrhein-Westfalen mit Landesbauminister Groschek und anderen das Stadtumlandprojekt auf den Weg gebracht hat, fanden wir das  eine gute Gelegenheit, mal die Lebenswirklichkeit in der Region abzubilden. Es ging bei diesem Stadtumlandthema um zwei Themenschwerpunkte: 1. Die Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur und 2. die Idee, wie kriegt man es hin, dass jeder pro Woche eine Stunde mehr Zeit zur eigenen Verfügung hat. Diese Überlegungen haben wir bei EUROPAN 15 aufgegriffen. Zum Vorschlag der Bergischen Gesellschaft  kam die Idee aus  Hilden dazu. Wir haben länger überlegt, welches Gelände Wettbewerbsthema sein soll und haben uns dann für das Grossmann-Gelände in Solingen-Wald entschieden.

Gemeiner: Das diesjährige Motto von EUROPAN 15 ist „Productive City II“. Gemeint ist ja damit im Wesentlichen, dass eine Durchmischung erzeugt werden soll. Wie soll sich Ihrer Meinung nach dieser Standort entwickeln?

Hoferichter: Wir hatten eine erste Diskussion mit der Absicht, die komplette Gewerbefläche im Grossmann Gelände zu erhalten. Das kann aber nicht funktionieren. Wald ist ein Stadtteil, der durchaus begehrt ist. Er hat aber wenig Brachflächen und wenig Potential. Die Lösung könnte in Richtung urbane Nutzung gehen, für die uns noch die städtebaulichen Ideen fehlen. Das klingt für den Ort vielleicht etwas hochtrabend, gemeint ist aber eine Mischung aus Arbeiten, Wohnen, Kultur, Gastronomie und Gewerbe. Hinter dem Marktplatz in Solingen – Wald beginnt das Grossmann Gelände mit seinem Potential von 42.000 qm. Da braucht es schon einige Zeit  für eine Quartiersentwicklung und -anbindung. Die Teilnahme bei EUROPAN 15 passte gut, weil zur Zeit geprüft wird, wieviel Altlasten im Boden und den Gebäuden sind. Bis das alles ausgewertet ist, sind wir im Herbst. Das Ziel von EUROPAN ist ja selten der städtebauliche Entwurf, der sofort umgesetzt werden kann. Aber wenn bei dem Ganzen nur drei gute Ideen rauskommen, mit denen man weitermachen kann, wäre das schon den Aufwand wert. Im November 2019 tagt die nationale Jury. Die deutsche Abschlussveranstaltung mit Preisverleihung findet voraussichtlich Anfang 2020 statt. Wir können aber, sobald die internen Überlegungen abgeschlossen sind, mit den Entwurfsverfassern schon vorher Kontakt aufnehmen und erste Ideen aufgreifen. Ich bin sehr gespannt.

Gemeiner: Sie sind seit 2001 in Solingen und voraussichtlich bis 2021. Was waren denn bisher Ihre wichtigsten Projekte?

Hoferichter: Das waren einige. Zum Beispiel die Projekte im Zuge der Regionale 2006, schon allein wegen ihrer Größenordnung. Die S-Bahn ist durch die Haltepunkte erheblich attraktiver geworden. Und dann die begleitenden Entwicklungen, die möglich waren. Wenn z.B. der Neubau Busbahnhöfe nicht erfolgt wäre, würden wir heute nicht über höhere Anteile im ÖPNV reden können. Ständig beschäftigen mich die großen Stadtumbauten in Mitte, Ohligs oder auch anderen Bereichen. Dort verändert die Stadt ihr Gesicht grundlegend.

Haus Müngsten im Brückenpark

Aktuell ist ein Thema die Müngstener Brücke im Brückenpark, ein großartiges Projekt europäischer Zusammenarbeit und auch hinsichtlich der Weltkulturerbe Diskussion. Es geht um den Verbund von 7 Brücken in 4 Ländern, Deutschland, Italien, Frankreich und Portugal, sie sollen Weltkulturerbe werden. Wir sind mit der Müngstener Brücke dabei. Dieser Entscheidungsprozess dauert aber noch Jahre. Über diese Projektidee wird ungeheuer viel berichtet, das ist unbezahlbare Tourismuswerbung. Vom Brückenpark geht es zu Schloss Burg. Dieses Denkmal von nationaler Bedeutung hat große, besondere Architekturbüros angezogen. Die Kombination Schloss Burg und Brückenpark Müngsten ist touristisch interessant für viele Beteiligte. Ein anderes Projekt ist Schloss Burg selbst, das ja Denkmal von nationaler Bedeutung geworden ist. Das strahlt aus, was man  auch daran gesehen hat, wie viele der großen deutschen renommierten Architekturbüros sich an den einzelnen Ausschreibungen beteiligt haben. Alle haben höchstes Interesse daran, dort einen guten Job zu machen.

Redaktion: Monika Medam

*Das Handlungskonzept Wohnen finden Sie hier zum Download. http://goo.gl/iLi9cm